Brief an die Mitglieder des AfD- Kreisverbands Havelland:


Über die Abstimmung unserer EU-Abgeordneten  zu den Sanktionen gegenüber Russland

Liebe Parteifreunde,

Das Thema Ukraine-Krise (immer häufiger spricht man jetzt vom Ukraine-Krieg) hat auch in unserem Kreisverband Havelland hohe Wellen geschlagen, besonders das Abstimmungsverhalten unserer Europa-Parlamentarier. Für die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Juli 2014 zur Ukraine stimmten Lucke, Kölmel, Henkel und Starbatty; dagegen nur Pretzell; enthalten haben sich Trebesius und von Storch.

In dieser Entschließung des EP wird unter Punkt 12 und 13 gefordert, dass Sanktionen gegen bestimmte Personen aus Russland (Kontosperrungen usw.) durchgeführt werden und Wirtschaftssanktionen gegen Russland vorbereitet werden. Diese sollen in Kraft treten, "wenn die Situation dies erfordert"- was immer das heißen mag. Bernd Lucke hat diesen Standpunkt, dem er ja zugestimmt hat und den er immer noch vertritt, gestern am 29.08.14 auf unserem Sommerfest in Falkensee noch einmal unterstrichen, indem er sagte: Er hält Wirtschaftssanktionen zum heutigen Zeitpunkt für falsch, aber sie können Sinn machen, wenn die Lage weiter eskaliert, d.h. wenn sich ein großes Land wie Russland sich über ein kleines Land, die Ukraine, militärisch hermacht.

Aber genau das passiert ja seit zwei Tagen: Russland betreibt mit militärischem Fahrzeugen eine Invasion in der Ost-Ukraine. Satellitenfotos und Filmaufnahmen sprechen eine ziemlich eindeutige Sprache. Die Regierungschefs der EU werden wohl in den kommenden Tagen härtere Sanktionen gegen Russland beschließen.

In unserer E-Mail-Diskussion der letzten Woche haben sich viele von euch dahingehend geäußert, dass Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland strikt abzulehnen sind. Das entspricht ganz klar auch der Ukraine-Resolution der AfD vom Erfurter Parteitag (23. März 2014), in der Sanktionen abgelehnt werden. Dieser Standpunkt wird auch bis heute von den meisten Parteimitgliedern der AfD vertreten, die sich z.B. im Mitgliederforum dazu geäußert haben. Auch die drei Spitzenkandidaten der anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen, also Gauland, Höcke und Petry, haben sich in diesen Tagen deutlich gegen Sanktionen ausgesprochen und nehmen damit eine Gegenposition zu Lucke ein, ohne ihn allerdings beim Namen zu nennen.

Auch ich bin strikt gegen jegliche Sanktionen gegenüber Russland, denn wir schneiden uns damit ins eigene Fleisch: Russland ist von unseren Exporten nicht wirklich abhängig und kann jedes Industrie- oder Agrarprodukt in kurzer Zeit selbst herstellen, vom Apfel über das Auto bis zur Atombombe. Vielleicht nicht immer in der hoch entwickelten Perfektion wie bei uns, aber darauf kommt es nicht an. Sie brauchen dafür nicht so lange wie wir für einen Flughafen. Umgekehrt ist das aber nicht der Fall: Wir sind von den Erdgaslieferungen aus Russland abhängig und werden es noch lange sein. Eine Umstellung auf andere kostengünstige Energieträger ist mittelfristig nicht möglich; daher sitzt Russland bei Sanktionen am längeren Hebel. Ernsthafte Sanktionen von deutscher Seite könnten früher oder später dazu führen, dass uns im Gegenzug der Gashahn zugedreht wird, und das würde unsere gesamte Wirtschaft und die Bevölkerung hart treffen.

In diesem Punkt der Sanktionen ist also die Entschließung des Europäischen Parlaments grundlegend falsch, das heißt die Zustimmung der vier AfD-Abgeordneten hätte zu diesem Punkt nie erfolgen dürfen.

Es gibt aber noch einen weiteren Punkt in der Entschließung des Europäischen Parlaments, der offenbar in der AfD und auch im Kreisverband keine einhellige Zustimmung findet: Es geht dabei um die Gründe, warum es zu diesem internationalen Konflikt gekommen ist. Das Parlament, heißt es in Punkt 7, "verurteilt die Aggression Russlands gegenüber der Krim als gravierenden völkerrechtlichen Verstoß gegen die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine und .... betrachtet die Annexion der Krim als illegal". Das ist zweifellos zutreffend, wenn man sich die Entwicklung der Ereignisse auf der Krim im Frühjahr 2014 ansieht. Es handelte sich um eine handstreichartige Besetzung der Halbinsel durch russische Truppen, ohne dass es zwingende Gründe für diese Besetzung gegeben hätte. Die russischen Truppen machten sich einfach den desolaten und verkommenen Zustand der ukrainischen Gesellschaft und ihres Militärs zunutze und holten sich das zurück, was sie vor 60 Jahren an die Ukraine verschenkt hatten. Aber was verschenkt ist, daran hat man sein Recht verloren! Es kann also keine Rechtfertigung für einen solchen Raubüberfall geben; die Krim gehörte seit 1954 rechtmäßig der Ukraine. Die Volksabstimmung im März 2014, die auf die Annexion folgte, war der völlig untaugliche Versuch, dem Raubzug nachträglich einen Anstrich der Legalität zu verleihen und den internationalen Protest zu beschwichtigen.

Russland verstieß mit seiner Aggression eindeutig gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker und somit gegen eine grundlegende Norm des Völkerrechts - eine Norm, die in einer langen Epoche des Kampfes vieler Völker um ihre nationale Souveränität sich herausgebildet hat und mit dem Leben unzähliger Freiheitskämpfer bezahlt worden ist. Dieser Grundsatz wird heute von allen zivilisierten Völkern anerkannt - was im Umkehrschluss bedeutet: Wenn ein Regime dieses Prinzip nicht respektiert, kann es nicht als Mitglied der zivilisierten Welt gelten. Die russische Machtpolitik, deren Spur sich von Berlin 1953, Ungarn 1956, über die CSSR 1968 bis nach Afghanistan 1979-1989 erstreckt, hat auch nach dem Zusammenbruch der UdSSR ihren imperialistischen Charakter nicht verloren.

Das bedeutet natürlich in keiner Weise, dass der USA-Imperialismus irgendwie "besser" wäre. Es ist müßig, darüber zu streiten, welche der beiden Mächte die menschlichere ist. Das gilt in gewissem Maße auch in Bezug auf die EU, welche die Funktion des Steigbügelhalters der US-Konzerne in Europa übernehmen soll. Wenn die vorgesehenen Regelungen des so genannten Freihandelsabkommens TTIP für eine stabile Wirtschaft und für die Steuerzahler in Deutschland schon eine Zumutung sind, so wären sie für schwache Volkswirtschaften wie die Ukraine geradezu der Todesstoß.

Jede Nation muss für sich entscheiden, wie sie sich zu dem einen oder anderen der großen Machtsysteme verhält: Ob sie sich ihm anschließt, oder ob sie versucht, einen unabhängigen Weg zu gehen, was für ein kleines Land sicherlich sehr schwierig ist. Das ist ein Prozess, welcher der Ukraine demnächst bevorsteht, und das Volk der Ukraine sollte darüber frei entscheiden können. Die EU kann dazu eine gewisse wirtschaftliche Hilfe anbieten, finanziell aber nur in dem Rahmen, wie die Länder der EU dazu bereit und in der Lage sind, nachdem schon viele Milliarden Euro in Rettungsschirmen versenkt wurden. Das Beispiel Griechenland hat gezeigt, dass die geleistete Wirtschaftshilfe dazu führt, dass die EU schon an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit gerät. Um so mehr wäre das der Fall bei der Ukraine, die um ein Mehrfaches größer ist als Griechenland.

Wenn sich die verschiedenen Volksgruppen in der Ukraine entschließen würden, sich teilweise Russland und zum anderen Teil der EU anzuschließen, wäre das eine denkbare Lösung. Damit würden die historischen, kulturellen und politischen Zusammenhänge berücksichtigt, und die beiden Machtblöcke wären eher in der Lage, die erforderliche Wirtschaftshilfe für ihren Teil zu leisten. Eine solche staatliche Teilung der Ukraine kann aber erst dann in Frage kommen, wenn eine Versöhnung der beiden Volksgruppen innerhalb der Ukraine nicht mehr möglich ist.

Noch einmal zurück zur Abstimmung über die Entschließung des EP: Wenn in einem solchen Antrag die Analyse einiger grundlegender Tatsachen richtig ist (die Aggression Russlands), aber die Schlussfolgerungen daraus falsch sind (Forderung nach Sanktionen), ist es natürlich problematisch, insgesamt für oder gegen diese Entschließung zu stimmen. Richtig wäre es aber nach meiner Meinung gewesen, die Entschließung abzulehnen, also gegen die Sanktionen zu stimmen, weil vor allem verhindert werden muss, dass sich Sanktionen zu einem Wirtschaftskrieg ausweiten, der nur Nachteile für Deutschland haben kann. Russland wird wegen angedrohter oder tatsächlicher Sanktionen seine Großmachtpolitik nicht ändern.

09.09.14

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Merkel kritisiert Janukowitsch – und sitzt selbst im Glashaus

26.01.2014

Auf der Klausursitzung der Bundesregierung in der vergangenen Woche im Schloss Meseberg übte Bundeskanzlerin Merkel ungewöhnlich scharfe Kritik an der Politik des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch, der das Demonstrationsrecht verschärft hatte. Sie zeigte sich „aufs Äußerste besorgt“ und „empört“ darüber, wie in der Ukraine zur Zeit Gesetze „durchgepeitscht“ würden, die das Ziel hätten, die Grundrechte der Demonstranten einzuschränken. Merkel appellierte, dass die Regierung in Kiew die Pflicht habe, „die Möglichkeiten der freiheitlichen Meinungsäußerung auch sicherzustellen.“ (Süddeutsche Zeitung , 25.01.2014)

Das „Durchpeitschen von Gesetzen“ kommt uns doch irgendwie bekannt vor. Haben wir das in Berlin nicht auch schon einige Male erlebt?

Wir erinnern uns: Im Mai 2010 war die Krise um die drohende Zahlungsunfähigkeit Griechenlands so dramatisch, dass die EU in aller Hast den Euro-Rettungsschirm EFSF aufspannte, der aber in Deutschland nicht mit den Haushaltsgesetzen in Einklang stand. Die deutschen Steuerzahler hätten im Notfall für eine Summe von 148 Milliarden Euro haften müssen. Da die Macht der internationalen Finanzspekulanten als bedrohlich angesehen wurde, fühlte sich die Regierung Merkel getrieben, die erforderlichen Gesetze innerhalb von etwa 24 Stunden durch den Bundestag, den Bundesrat und durch die Genehmigungsprozedur beim Bundespräsidenten zu peitschen. Das war am 21. Mai 2010, und am 22. Mai wurde das Gesetz von Bundespräsident Köhler unterzeichnet.

Köhler war gerade in der Nacht zuvor von einem Besuch aus Afghanistan zurückgekehrt, hatte also kaum die Möglichkeit, den Text und die Umstände des Gesetzes näher zu prüfen, geschweige denn die Meinung anderer Fachleute einzuholen. Die Unterschrift wurde offenbar von ihm einfach verlangt, sie war, wie man heute sagt, „alternativlos“.

Wir sehen also: Das Durchpeitschen von Gesetzen gibt es auch in Deutschland! So wie in der Ukraine die demonstrierenden Menschenmassen ihrer demokratischen Rechte beraubt werden, so wurde 2010 für die deutschen Steuerzahler die Verfügungsgewalt über ihre Finanzmittel drastisch eingeschränkt, was ggf., wenn der Kreditausfall eintritt, einer Enteignung gleichkommt.

Wenige Tage später, am 31. Mai 2010, trat Köhler völlig überraschend von seinem Amt als Bundespräsident zurück. Als Begründung führte er an, dass seine Äußerungen, die er auf seinem Rückflug aus Afghanistan gegenüber der Presse getätigt hatte, auf massive Kritik gestoßen seien. Er hatte unter anderem gesagt, dass z. B. zur Sicherung freier Handelswege im Notfall auch militärischer Einsatz nötig sei, wobei auch Todesfälle in Kauf genommen werden müssten. Die Kritik an diesen seinen Äußerungen, sagte er weiter, ließen den notwendigen Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten vermissen, und daher trete er mit sofortiger Wirkung zurück.

In der Öffentlichkeit wurde die Begründung weithin mit einem fassungslosen Erstaunen aufgenommen; man konnte kaum glauben, dass ein Bundespräsident so dünnhäutig auf politische Angriffe reagiert. Der Mainstream in Politik und Presse betete die Begründungen nach, die Köhler vorgegeben hatte. Nur wenige nannten die wahren Motive beim Namen, die für Köhlers Rücktritt tatsächlich maßgeblich waren. Einer von ihnen war Peter Gauweiler, der auch heute noch innerhalb der CSU eine Außenseiterrolle spielt und in seinen Ansichten bezüglich der EU eher der AfD nahe steht; er formulierte seine Zweifel in einem Brief an Köhler und fragte: „Ist es wirklich wahr, dass Sie keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Prozedur hatten? Haben Sie aus freien Stücken in so ungewöhnlicher Eile das Gesetz unterschrieben und ausfertigen lassen?“

Quelle:
www.spiegel.de/politik/deutschland/ruecktritt-des-bundespraesidenten-gauweiler-stellt-die-148-milliarden-euro-frage-a-702722.html

Außer Gauweiler gab es noch einen weiteren, der die von Köhler genannten Rücktrittsgründe anzweifelte. Es war Hans-Olaf Henkel, der vor kurzem Mitglied der Alternative für Deutschland geworden ist und am 25. Januar 2014 auf den Platz 2 der Europawahlliste der AfD gewählt wurde. Henkel und Köhler kannten sich, weil beide zusammen als Mitglieder im Treuhand-Verwaltungsrat tätig waren. In einer Talkshow bei Sandra Maischberger Anfang Juni 2010, als es um das Thema von Köhlers Rücktritt ging, äußerte sich Henkel darüber, wie die Gesetze zum Euro-Rettungsschirm in Deutschland zustande gekommen waren, und er sagte: „Da ist ja wirklich was passiert, man muss es fast einen Putsch nennen.“ Und er fügte hinzu, nach dem Passieren des Gesetzes im Bundestag und Bundesrat, am nächsten Tag, „vielleicht musste – der Bundespräsident das schon unterschreiben“. (nach: Spiegel online vom 26.06.2010, Link siehe oben)

Im Mai 2014 wird Henkel wahrscheinlich als AfD-Abgeordneter ins Europaparlament gewählt werden. Auch wenn er einst zu den Befürwortern des Euro gehörte: Er hat in dieser Frage längst seine Position geändert und damit gezeigt, dass er im Gegensatz zu vielen Politikern der Blockparteien in Berlin – von CDU bis Grüne – lernfähig ist. Seine oben beschriebene kritische Position zum ESM und zu der Mauschelpolitik in Berlin und Brüssel im Zusammenhang mit dem EURO lassen doch hoffen, dass er als Vertreter der AfD nicht die Interessen der Finanzindustrie und Spekulanten, sondern der Masse der einfachen Steuerzahler im Blick haben wird. Die Mitglieder der AfD und ihre Wähler erwarten das jedenfalls von ihm und werden ihn daran messen.


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Was hat Griechenland mit Ostdeutschland zu tun?

Ein Kommentar

27.02.2012

Die heutige Abstimmung im Bundestag über die Bewilligung des 130-Milliarden-Euro-Hilfspakets an das notleidende Griechenland fällt zeitlich zusammen mit einer Nachricht über ein anderes notleidendes Gebiet, welches den Deutschen viel näher liegt: Die ostdeutschen Bundesländer, die seit über zwanzig Jahren Förderungssummen in Höhe von 70 bis 80 Milliarden Euro jährlich erhalten haben. Auch wenn die Beträge zuletzt auf etwa 60 Milliarden Euro pro Jahr verringert wurden, muss man laut einem Gutachten von sechs renommierten Wirtschaftsinstituten feststellen, dass die wirtschaftliche Annäherung zwischen den westlichen und den östlichen Bundesländern seit 1998 sich immer mehr verlangsamt hat. "Die Aufholfortschritte sind im vergangenen Jahrzehnt immer kleiner geworden", heißt es in dem Gutachten (zit. nach faz.net vom 26.02.2012).

Das wirtschaftliche Niveau im Osten entwickelt sich zwar aufwärts, aber die Wirtschaftskraft im Westen entwickelt sich ebenso gut, und das ohne staatliche Förderung. Die Forscher kommen in dem Gutachten zu dem Schluss, dass man sich von der Illusion verabschieden solle, der Osten und der Westen Deutschlands würden sich in der Produktivität völlig angleichen; vielmehr würde der Osten den Rückstand gegenüber dem Westen niemals völlig aufholen können.

Daraus ergeben sich nach Meinung der Gutachter klare Folgerungen für die Wirtschaftspolitik : Man solle in Zukunft die Förderung nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip verteilen, sondern allenfalls nur noch gezielt in bestimmten strukturschwachen Regionen, im Osten wie im Westen.

Besonders im Osten besteht das Problem, dass bei der geringen Bevölkerungsdichte in vielen Regionen es kaum möglich ist, große Unternehmen dort anzusiedeln: Es fehlen die Arbeitskräfte in großer Zahl, die hoch qualifizierte technische Intelligenz, die Manager, und diese werden dort auch nicht hinziehen, weil die von ihnen erwarteten Angebote an Freizeit, Kultur, Bildung usw. in der benötigten Vielfalt dort nicht ausreichend vorhanden sind. Das ist seit langem auch schon konkret festzustellen bei der ärztlichen Versorgung auf dem Land: Wo der Inhaber einer Arztpraxis sich zur Ruhe setzt, findet er keinen Nachfolger, der die Praxis weiterführt. Im Gegenteil: Dass junge Leute, insbesondere Abiturienten, die neuen Bundesländer verlassen, um in den großen Städten Ausbildung und Karriere zu machen, verschärft noch die Situation. Die Bevölkerungsdichte im Osten wird immer geringer, und damit wird das Aufholen des wirtschaftlichen Rückstands gegenüber dem Westen immer schwieriger.

An diesem Punkt gibt es eine Parallele zum Schuldenproblem in Griechenland. Gerade dort gibt es viele unterentwickelte Gebiete, die bisher vom griechischen Staat mit hohen Fördergeldern künstlich über Wasser gehalten werden. Es handelt zum Beispiel um die vielen griechischen Inseln, auf denen die Bewohner nur mithilfe staatlicher Subventionen einen Lebensstandard halten können, der noch einigermaßen mit dem Lebensniveau in den entwickelten Gebieten vergleichbar ist. Auch in diesen rückständigen Regionen wird es kaum möglich sein, große Unternehmen anzusiedeln, die aus eigener Kraft und ohne Subvention genügend Mehrwert erwirtschaften, um lebensfähig zu sein, und junge Leute verlassen die weit verstreuten Inseln, weil nicht jeder vom Tourismus leben kann und will.

Sollen nun die riesigen Subventionen an solche abgelegenen unproduktiven Gebiete um ca. 190 Milliarden Euro gekürzt werden (lt. Süddeutscher Zeitung v. 25.02.12), wie es die Troika aus Kommission, EZB und IWF von Griechenland verlangt? Dies ist nur eine von vielen einschneidenden Forderungen, die die Europäische Union an Griechenland stellt und die bei den jeweiligen betroffenen Schichten in Griechenland auf starken Widerstand stoßen. Und das sind viele Bevölkerungsgruppen: Die Krankenhausärzte, die Bürgermeister, das Militär, die Verwaltung und staatliche Angestellte, die besser gestellten Pensionäre, viele Arbeiter, die Ärzte usw. , alle sollen in ihren Einkommen oder Privilegien gekürzt werden. Viele dieser geforderten Kürzungen wären sicherlich berechtigt, einige Kürzungen wären aber wahrscheinlich auch nicht berechtigt. Das sind aber Entscheidungen, die nur eine griechische Regierung treffen kann, die unter der Kontrolle des Volkes steht, nicht jedoch die gegenwärtige bürgerliche Regierung, die über viele Jahre dafür gesorgt hat, dass der Staat sich hemmungslos verschuldet hat, dass hohe Zinsen in die Taschen der Finanzbourgeoisie geflossen sind und viele dieser Kapitalisten sich nun angesichts der Krise mit ihren Profiten ins Ausland abgesetzt haben, ohne Steuern zu zahlen. Sie haben damit die Finanzkrise noch verschärft.

Wäre es nun richtig, wenn viele Griechen gegen die Kürzungen protestieren, diese geforderten Sparmaßnahmen zurücknehmen? Sicherlich nicht, denn das würde bedeuten, die Verschwendung europäischer Steuergelder fortzusetzen. In diesem Punkt ist also der heutige Beschluss des Bundestags zu unterstützen, wenn er von der griechischen Regierung die Durchsetzung der Sparpolitik fordert. Allerdings ist es von der EU falsch, diese Sparpolitik mit einem Rettungspaket von 130 Milliarden Euro zu belohnen, denn diesen Geld dient nur dazu, die Schulden bei den Banken, Hedgefonds und Investoren zu begleichen, die aus den griechischen Staatsanleihen schon seit jeher große Profite gezogen haben. Es wäre aber natürlich naiv zu glauben, dass die EU und alle bürgerlichen Regierungen anders handeln würden als im Sinne der nationalen und internationalen Finanzkapitalisten, denn diese sind die tatsächlich herrschende Klasse, und die Regierungen nur ihre ausführenden Organe. Die Regierungen und die EU sind von den globalen Geldgebern abhängig, das ist an den Beschlüssen zu den Sparpaketen deutlich zu sehen.

Kommen wir abschließend zurück zu dem Problem, ob die einzelnen Länder der EU es sich leisten können, ihre rückständigen Regionen mit großzügigen Subventionen zu fördern: Diese Frage kann nur jedes Land für sich beantworten , und ein Land mit hoher Wirtschaftsleistung wie die Bundesrepublik kann das Problem bezüglich Ostdeutschland natürlich großzügiger lösen als ein armes Land wie Griechenland. Wichtig ist dabei, dass jedes Land nur die Finanzen verteilen kann, die es selbst erwirtschaftet. Wenn dagegen ein Monstrum wie die EU darüber entscheidet, welche Gelder wohin fließen, kann bei den meisten Einwohnern der EU ein Gefühl der Gerechtigkeit nicht aufkommen, weil sie die Entscheidungen nicht nachvollziehen können und auch nicht das Gefühl an Solidarität aufbringen können, das es einem leichter machen würde zu sagen: Dieser Region in Griechenland, in Spanien oder anderswo geht es schlecht, also bin ich bereit, einen Teil meiner Steuergelder dafür hinzugeben. Ein solches Solidaritätsgefühl ist allenfalls noch im Rahmen einer Nation in gewissem Maße vorhanden, aber darüber hinaus kaum.

Daher muss man verlangen, dass über die Vergabe von Fördergeldern in nationalen Maßstab entschieden wird, nicht jedoch von einer übernationalen EU-Behörde, die weitab von der betroffenen Region angesiedelt ist. Nur innerhalb eines Staates hat die Bevölkerung die Kraft und die organisatorische Möglichkeit, die Regierung bei der Regionalförderung wie bei allen anderen Entscheidungen zu beeinflussen und zu kontrollieren. Die eventuell bevorstehende Ausschließung Griechenlands aus der Euro-Zone ist letzten Endes ein Ergebnis der Tatsache, dass diese Kontrolle der Regierung durch die Bevölkerung in Griechenland nicht funktioniert hat, dass keiner es bemerkt hat und dass es auch keiner wissen wollte, denn die meisten Griechen haben davon profitiert. Jetzt müssen die unteren Schichten in Griechenland, aber auch die Steuerzahler in Europa die Suppe auslöffeln.
 

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